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Der Kreis schließt sich

von

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Badeanstalt

Aramis warf sich auf den Rücken und blickte zur Decke. Die Deckenbalken verloren sich in der Schwärze des dunklen Zimmers. Zu sehen gab es nichts. Im Gasthaus war es still. Wenige Sekunden später rollte sie sich zur Seite, stopfte ihr Kissen unter die Armbeuge und schmiegte unglücklich ihre Wange in das Leinen hinein. Sie hörte ihr Herz einsam in ihrer abgeschnürten Brust schlagen und hätte gerne aufgeseufzt, wenn es das enge Band aus straff gewickelten Leinen erlaubt hätte. Aus Angst vor Entdeckung, schlief Aramis mit eingewickeltem Busen. Der Verband war ihr ohnehin zur zweiten Haut geworden. Ohne ihn kam sie sich seltsam nackt vor.

Eine dünne Bretterwand weiter Athos den Arm nach hinten und zog die rutschende Unterhose gänzlich über seine Kehrseite. Er grub sich tiefer in die Delle der Matratze und schloss die Augen, doch der Schlaf wollte nicht kommen. Sein ganzer Körper und sein Geist waren viel zu wach, um zur Ruhe zu kommen. Aus seiner Erinnerung tauchten längst vergangene Tage, wie die vergilbten Seiten eines eingestaubten Buches heraus. Er hörte, wie das Bettgestell im Nebenzimmer knarrte und ächzte, weil sich sein Bewohner unruhig hin und her warf.
 

Der neue Tag begrüßte sie mit wolkenlosem Himmel und Sonnenschein. Athos verlagerte seinen Sitz im Sattel und sah zu den Strahlen im Himmel auf. Er sah auf Wiesen und Felder in endloser Weite, er hörte das Wispern und Rauschen des Wassers im Bach, er roch den Duft von Gras und Blumen, den der Wind mit sich brachte. Alles im allen, fand Athos, dass der Tag kein besseres Gewand haben konnte. Er reckte das Gesicht in die Sonne und summte leise vor sich hin. Neben ihm hob Aramis die müden Augen und bedachte ihn mit einem mürrischen Blick. Alles im allen, fand sie das der Tag beschissen war. Alles im allen, setzte sie Diana de ... auf die Liste der Personen, die sie gerne am Bratspieß übers Feuer halten wollte.

Sie ritten in Richtung über ... in Richtung ....

"Sprühender Frühling, noch frisch im Jahr,

in der Blüte so frisch, die Luft so klar, Farben wie ich sie bisher noch nie sah.

Tauchst das Land in den ersten Sonnenschein,

sollst der Liebe Begleiter sein ...," schloss Athos und atmete tief die frische Morgenluft ein.

Aramis sah ihn prüfend an. "Ich wusste gar nicht, dass du zu den Naturliebhabern gehörst?"

"Oh, doch, doch", bestätigte er und schien über diesen Umstand nachzudenken und für gut zu befinden.

"Und du scheinst zu den Poeten übergegangen zu sein."

Das Grinsen eines kleinen Jungen schlich sich auf sein Gesicht. "Zweifellos."

Aramis gab ihrem Pferd die Sporen und trieb es schneller an. Staub wirbelte unter seinen Hufen auf und mit der frischen Morgenprise und dem Geruch von Gras und Blumen, wehte ein Schwall Sand direkt in Athos Gesicht.

Nach mehreren Stunden Ritt, die Sonne war am Zenit schon lange nach Süden gewandert, spürten beide Musketiere jeden Knochen in ihrem Körper. Sie hatten eine kurze Pause bei Wasser und Brot zur Mittagszeit gehabt und seither durchgeritten. Athos, der in der Ferne die Stadtmauern der Stadt ... auftauchen sah, fand es an der Zeit, Aramis' Höllenritt Einhalt zu gebieten, bevor seine gute Laune gänzlich schwand. Vor der Stadt befanden sich Reste einer römischen Siedlung, die an dieser Stelle aufgrund mehrerer Heilquellen, in Vorchristlicher Zeit erbaut worden war. Zur Zeit des Mittelalters hielt das gemeine Volk nicht viel vom Baden. Seine Landesfürsten noch viel weniger. Ein Ritter badet vier Mal in seinem Leben-. Bei seiner Taufe, beim Ritterschlag, bei seiner Hochzeit und zum Zeitpunkt seines Todes. Wobei beim Letztern die letzte Ölung wichtiger war und es dem göttlichen Gericht egal zu sein schien, wie der Angeklagte roch. Im späten Mittelalter hielten ein Teil der Menschen das Baden für eine Form von Reinlichkeit, der andere für zuviel Reinlichkeit, der Klerus Lasterhaft und der Rest schlichtweg lästig. Nackt in einer Waschschüssel konnte man sich alle möglichen Arten von Krankheit zuziehen. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen, der den Menschen erklärt, dass die Kuh im Schlafzimmer viel mehr Erreger anzog, als ein Badetrog. Heilbäder waren dennoch sehr beliebt, auch wenn nur ein geringer Teil der Bevölkerung Frankreichs Zeit dafür fand.

Das verwitterte Holzschild an der Straßenkreuzung, das zu einer Abzweigung zeigte, brachte Athos auf eine Idee.

Er zügelte sein Pferd und brachte es zum Stehen.

"Was ist?" Aramis riss die Zügel zurück und sah ihn verwundert an.

"Es ist Zeit für eine Pause", stellte Athos fest, schwang sich steifbeinig aus dem Sattel und rieb sich beredend über sein Hinterteil. Aramis sah pikiert zu ihm herab. Er wusste, dass sein Freund ihn an sein übermäßiges Pflichtbewusstsein vom Vortag erinnern wollte. Ein zuversichtliches Lächeln erschien auf seinen Zügen.

"Aramis, sieh mal! Wir haben für den Rückweg die doppelte Zeit, als für den Hinweg, da wir direkt nach Paris reiten. Lass uns den Umstand ausnutzen. Weißt du, was wir machen können? Mir kommt eine glänzende Idee!"

Ohne ein weiteres Wort nahm er sein Pferd am Halfter und führte es, mit merkwürdig steifem Gang zur Abzweigung. Aramis sah ihn verwundert in der schmalen Allee verschwinden. Eichen säumten den Weg der Straße und neigten ihre Häupter in den Kronen zusammen. Verwundert hob sie die Stimme "Wo willst du hin?"

"Komm!", erschallte es vergnügt und wenig aussagekräftig, aus dem Dunkel der Baumgasse. Aramis folgte ihm lammfromm. Der lange Ritt hatte ihre schlechte Laune vertilgt.

Vor ihnen öffnete sich der Weg und gab den Blick auf ein Haus im antiken Stil frei. Umgeben von Ruinen, machte es lediglich den Eindruck von Benutzung, nicht von Pflege. Aramis Blick glitt von der Backsteinfassade zu den gebrannten Dachziegeln hoch.

"Was ist das?", fragte sie, in der Annahme, dass Athos sie zu einem Gasthof geführt hatte.

Im Gebäude schien rege Betriebsamkeit zu herrschen, aber es fehlte jeder Hinweis auf ein Gasthaus. Pferde und Kutschen unbekannter Besitzer standen zur linken Seite bereit und ein kleiner, schmächtiger Junge, mit knochigen Gliedern rannte herbei und nahm Athos Zügel ab.

"Ein Badehaus", antwortete Athos schlicht. Aramis sah ihn mit einem Gesichtsausdruck an, als hätte sie Zahnschmerzen. Sie spürte, wie etwas Eiskaltes durch ihre Glieder lief und ihr Magen flatterte.

"Du willst baden?", entfuhr es ihr fassungslos. Athos grinste das Lächeln eines Schuljungen.

"Ja", er gluckste. "Genau das richtige, um müde und steife Glieder wieder munter zu machen.

"Ich will nicht baden", würgte Aramis hervor. "Wir haben keine Zeit, wir müssen ..."

"Natürlich haben wir Zeit. Wir haben in den letzten Stunden mehr Zeit als genug aufgeholt." Er sah sie an, mit dem nachsichtigen Lächeln eines Mannes der für etwas Geduld aufwies, für das er notfalls kämpfen würde. Es zog ihn in das Badehaus, in die Umkleidekabine, zusammen mit Aramis!

"Komm! Von D'Artagnan weiß ich, dass du das Baden liebst. Es ist genau das Richtige für dich."

"Nicht in Gesellschaft, nein", erwiderte Aramis trocken und krampfte die Hände zusammen.

"Keine Widerrede!" Athos sah großzügig über ihr Zögern hinweg und ging näher zu ihr. "Ich bitte dich, Aramis. Wir bleiben ein, zwei Stunden hier und reiten dann weiter."

Aramis klappte den Mund auf und wieder zu. Ihr Magen krampfte sich zu einem Klumpen zusammen. Sie schluckte trocken. Innerlich schüttelte Athos den Kopf und ging hinein. Warum benahm sich Aramis wie ein kleines, schamhaftes Mädchen? Vor was hatte er Angst? Er war gerade gewachsen, jung und zeigte nirgends an Anzeichen von Aussatz.

Aramis folgte ihm zögernd. Das Badehaus stammte noch aus der Zeit der Römer und entsprach mit seinen hohen Fenstern und den Säulengängen der Bauweise der Antike. Die Eingangshalle war in Marmor gefasst, dessen Decke von Säulen getragen wurde. Ein Brunnen, dessen Wasser schon lange nicht mehr geflossen war, nahm seine Mitte ein.

Über drei Stufen gelangten sie zum eigentlichen Bereich der Schwefelbäder. Vor einer langen Holzwand mit breiten Fächern, saß an einem Tisch ein Mann unbestimmten Alters. Die Falten in seinem Gesicht konnten dem Alter oder der ständigen Unzufriedenheit, die sein Gesicht nach außen trug herrühren. Er trug einen einfachen Kittel aus braunem Leinen und offene Holzpantinen.

"Vier Sou die Stunde, fünf Sou jede weitere", leierte er, mit monotoner Stimme und gleich bleibenden Gesichtsausdruck herunter. "Allerdings können Sie für nur 14 Sou drei Stunden im Voraus nehmen."

Athos runzelte die Braunen. "Ich würde nichts sparen."

"Aber auch nichts verlieren." Er schmatzte säuerlich und sang weiter. "Essen, Trinken und Frauen sind im Badehaus nicht erlaubt, in das Becken pinkeln oder andere Aktivitäten die dem gleichkommen, sind strengstens untersagt. Ihre Waffen müssen Sie abgeben. Wollen Sie ein Tuch mittlerer oder großer Größe?"

"Das größere Bitte."

"Ein Badehemd?"

"Muss nicht sein und ich nehme die drei Stunden."

"Das macht 14 Sou für die Schwefelbäder und 20 Sou für das Tuch."

Athos war nun sichtlich entrüstet. "Das Tuch ist ja teurer, als das ganze Schwefelbad."

Es zutschte wieder misstönend. "Das Wasser war schon da, die Tücher nicht." Zähneknirschend bezahlte Athos und stapfte voraus.

"Vier Sou die Stunde, fünf Sou jede weitere. Allerdings können Sie für nur 14 Sou ..."

"Das weiß ich," unterbrach Aramis ihn und beugte sich neugierig näher. "Sie haben Badehemden?"

"Mittlere Größe oder die große Größe."

"Die große Größe und Ihr größtes Handtuch!" Er reichte ihr ein gefaltetes Hemd und ein riesiges weißes Tuch aus groben Leinen. Aramis zog ihren Geldsack hervor und suchte nach der geforderten Summe. Ihre Hand verharrte über seinem ausgestreckten Handteller, ohne sich zu öffnen.

"Muss man sich Vorreinigen ... also ein Vorbecken mit klarem Wasser?", fragte sie misstrauisch.

"Vorreinigen." Seine Mundwinkel beschrieben einen Bogen durch seine untere Gesichtshälfte und blieben im angewidert, pikierten Zustand, nach unten gezogen über dem Kinn liegen. "Monsieur, ich halte schon Schwefelbäder für tödlich. Der Teufel kommt mit dem Bade. Die Reinheit mit der Eitelkeit!" Beredend sah Aramis auf seinen ausgestreckten Handteller, in dessen Hautlinien sich der Schmutz gegraben hatte. Sie öffnete ihre Hand und ließ das Geld fallen.

"Der Körpergeruch auch", murmelte sie und folgte ihrem Freund.
 

"Der ist doch nicht ganz bei Verstand", murrte sie und betrat den Umkleideraum durch eine der Seitentüren. Eine lange Holzbank ging durch den Raum. An der Wand befanden sich weitere Regale. Die Herren trugen ihre Geldbörsen am Gürtel um die nackte Taille. Diebstähle waren ein Kavaliersdelikt, der Geschädigte höchstens zu bedauern und kleiderlos auf seinem Heimweg.

"Der Teufel kommt mit dem Bade, dass ich nicht lache."

"Hör auf zu meckern und beeile dich!" Athos streckte ihr schon seine bloße Kehrseite entgegen und gürtete sich seinen Geldbeutel um. Aramis tat nichts dergleichen. Sie ließ sich stattdessen mit missmutigem Gesichtausdruck auf die Bank fallen und behielt ihr Badezubehör im Arm. Als Athos sich unvermittelt zu ihr umdreht, benötigte sie eine halbe Minute, eh ihr bewusst wurde, dass sie nicht mehr nur seinen Hintern anstarrte. Sie räusperte sich und hob den Blick zu einem Punkt, schräg über seiner Schulter. Da sie es nicht vermeiden konnte, überzog eine verräterische Röte ihre Wagen. Irritiert sah Athos sich um und blickte über seine Schulter.

"Aramis?"

"Ich komme nach, geh schon vor!" Selbst ihre Stimme unterlag nicht mehr ihrer Kontrolle.

Athos sah ungeduldig zu Aramis herunter, der nicht die mindesten Anstalten machte, sich umzukleiden. Mit Ungeduld wartete er, dass Aramis endlich seine Kleider ablegte. Aramis tat gar nichts, als vor sich hin zu starren. Athos der bisher nie falsche Verlegenheit, ob ohne oder im bekleideten Zustand, vor anderen Menschen gezeigt hatte, fühlte sich plötzlich peinlich berührt, in Aramis Gegenwart. Also ging er. Er hatte wirklich gehofft, Aramis nackt zu sehen. Vielleicht hätte dann die geheime Anziehungskraft aufgehört, mit der Aramis ihn umklammert hielt. Es war nicht aller Tage Abend und er würde Aramis drinnen sehen.

Aramis klammerte sich an das Handtuch in ihren Armen, das die Handknöchel weiß hervortraten. Mit dem Bündel in ihrem Arm, machte sie sich auf, die hölzernen Latrinen zu besuchen, deren Geruch schon Strafe genug war.
 

Heiß stieg der Dampf aus dem Becken auf. Verdichtete sich über dem Wasser und zog in milchigen Schwaden über den Beckenrand ab. "Sie müssen tief einamten, es ist das schwefelhaltigste Wasser in ganz Frankreich", sagte ein Diener im grauen Kittel salbungsvoll und zeigte auf den milchigen Dunst, der sich über dem großen Becken erhob. "Es heilt Körper und Seele. Schon sein Geruch ist genesend." Hinter dem Eingangsportal lag die riesige Anlage des Heilbads, mit Badhaus, Umkleideräumen, Räume für Masseuren und Chirurgen, für eine reinigende Schröpfung und schattigen Bogengängen zum flanieren im weitläufigen Garten. Das Becken war so riesig, dass es den Thronsaal im Louvre eingenommen hätte. Und über alledem lag der Gestank nach Schwefel wie eine Wolke, - Luzifers Vorhof. Aramis spürte, wie das Badehemd klamm wurde und auf ihrer Haut klebte.

"Sobald Sie eintauchen, werden Sie sich besser fühlen."

"Ich werde mich besser fühlen, wenn ich diesen Ort verlassen kann", murrte Aramis leise.

"Darf ich Ihnen das Handtuch abnehmen?"

"Nein!" Erstickt presste Aramis das Handtuch fester an die Brust und eilte weiter. Ihre bloßen Füße rutschten auf den nassen Fliesen. Sie war noch nie in einem Badehaus gewesen. Seit ihrer Kindheit war sie kerngesund und ihr Onkel hatte Badehäuser immer als Sündenpfuhl und Brutstätte orgiastischer Ausschweifungen betrachtete. Da eine Mauer beide Geschlechter voneinander trennte und nur das Lachen der Frauen hinüber drang, konnte Aramis nichts verwerfliches Entdecken. Die Männer saßen im Dunst verborgen im Becken, riefen nach den Badewächtern, lagen sonnend am Beckenrand oder flanierten in Handtüchern gehüllt am Bogengang entlang. Einige saßen auf hölzernen Bänken, bei Plausch, Schachspiel oder einem Krug Wein. Ein babylonisches Stimmengewirr erhob sich über dem Badehaus. Soweit Aramis sehen konnte, trugen nur ältere Herren Badehemden. Ansonsten waren die Herren der Schöpfung alle nackt, wie Gott sie schuf. Sie atmete tief ein. Noch nie hatte sie den anatomischen Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern so deutlich gespürt, wie in diesem Moment. Unwillkürlich rollte sie die Schultern nach vorn, um sich zu verbergen. Der Badewächter öffnete erneut den Eingang und ließ einen ältlichen Herrn herein, dessen Gliedmaßen so verkümmert waren, dass er in einer Sänfte in das Becken gelassen werden musste. Aramis nutze die Gunst der Stunde und schob sich hinter die Sänfte um unbemerkt zum Beckenrand zu gelangen. Das Becken hatte flache Stufen, die ins Wasser führten. Sie legte ihr Handtuch griffbereit an den Beckenrand und ließ sich in das warme, dampfende Wasser und atmete den Geruch nach faulen Eiern ein. Aramis spürte augenblicklich, wie sich das Hemd, wie eine zweite Haut auf ihren Körper legte. Sie sah sich nach einem Versteck um und watete tiefer in das Wasser, damit es ihr bis zum Kinn reichen konnte. Das weite Hemd bauschte sich um ihre Knie und schob sich langsam höher. Sie ruderte ein paar Mal hin und her, zu nervös, um ihre steifen Glieder im warmen Wasser zu entspannen. Nervös sah sie sich nach Athos um, der jeden Moment aus der Dunstwolke oder hinter einer Säule auftauchen konnte. Die heißen Wellen, die sein nackter Anblick in ihrem Körper auslöste, gefielen ihr ganz und gar nicht. Zum einen würde sie sofort erröten, zum anderen befürchtete sie eine seiner Ideen, die sie vielleicht unter der Hand eines Masseurs bringen würde. Besser er fand sie nicht.

Sie paddelte einige Meter nach links, einige Meter nach rechts, tauchte unter und hielt immer die Schultern unter Wasser. Der Adrenalinspiegel hatte mittlerweile beängstigende Höhen erklommen und die Angst umfasste ihr Genick wie eine kalte Hand die unbarmherzig zudrückte. Aramis sah sich nervös nach ihrem Handtuch um. Unachtsame Füße hatten es vom Beckenrand weggeschleudert. Halblaut fluchend kraulte sie zum Rand zurück und hielt sich unter Wasser. Sie versuchte nach dem Tuch zu greifen, aber es war zu weit fort geschleudert worden. Um heranzukommen, musste sie sich nach oben stemmen und den Oberkörper über den Beckenrand beugen. Als ihre Finger nach dem Tuch griffen und sie hochsah, begegneten ihre Augen den freudig, überraschten Blick eines verirrten Badegastes. Aramis platschte erschrocken ins Wasser zurück und sah ihn näher kommen. Er verbeugte sich leicht und das Handtuch rückte bedrohlich tiefer über die Hüften. Aramis wich zurück. "Gilbourn de Fleure, mein Name." Der Mann war lang und hager und hatte etwas Raubtierhaftes in seinen Gesichtszügen. Aus seinen Gesten sprach eine seltsame Mischung aus Unsicherheit und Selbstzufriedenheit. Aramis wich noch weiter zurück. "Es erfreut mich Jugend und Anmut hier zu sehen, wo meist die Kranken und Alten die Schwefelbäder aufsuchen." Ein schleimiger Unterton lag auf seiner Stimme. Ein unscheinbarer Mann, den Aramis auf der Straße sicherlich übersehen hätte, der seine Sehnsüchte hinter der verschlossenen Tür eines untadligen Bürgers führte. Sie wusste nicht, ob er die Frau oder den Jüngling in ihr gesehen hatte. "Die Augen eines älter werdenden Mannes sehen gerne, wie es war in der Blüte seines Lebens zu stehen", säuselte er salbungsvoll und glitt ins Wasser. Seine Bewegungen erinnerte an einen schläfrigen Löwen, der erwachte.

"So glatte Haut, so wohlgeformte Glieder ... Sag wie heißt du?" Jetzt glaubte Aramis eindeutig Begehren aus der Untertonschwingung seiner Worte zu hören. Sie hastete davon. Wasser spritzte auf. Aramis schlängelte sich durch die nebelhaften Gestalten im Wasser. Sie rutschte aus, tauchte unter und kam pustend wieder an die Oberfläche, mit beiden Armen ruderte sie sich den Weg frei und hörte weiterhin ihren Verfolger hinter sich nach ihr rufen. Die anderen Badegäste protestierten, als Aramis sie beiseite stieß und Wasser entgegenschaufelte. Wenn sie nur mehr gesehen hätte. Noch immer war er hinter ihr. Panikerfüllt drehte sie sich um und sah das Ende des Beckens näher kommen. Wohin dann fliehen. Sie drehte sich noch einmal hastig um ... Sie stieß mit der Schulter gegen die volle Längsseite einer nackten Brust.
 

Athos sah, wie Aramis plötzlich aus dem Dunst auftauchte, sich umdrehte und gegen ihn prallte, mit einer Kraft, dass ihm die Luft aus der Lunge wich. Er umfasste ihre Arme und drehte sie herum.

"Was treibst du da?" Aramis rutschte aus, ihre Füße gaben nach und sie sackte wie ein nasser Sack unter die Wasseroberfläche, als ihre Füße schon wieder den Boden verloren und sie wie ein nasser Sack untersackte. Er hielt sie an den Armen fest und sah in das von blonden, nassen Strähnen bedeckte Gesicht. Jetzt erst registrierte er das lächerliche Badehemd, dass Aramis trug.

"Warum hast du das lächerliche Hemd an?"

Aber Aramis gab keine Antwort. Angstvoll sah sie sich wieder um, holte Luft und tauchte abwärts, im selben Moment, als sich die Nebelschwaden wieder teilten und einen neuen Besucher ausspuckten.

"Haben Sie einen Jüngling mit blondem, langem Haar gesehen?"

Athos sah ihn prüfend an und fragte scharf. "Sollte ich?" Der Blick des Fremden ruhte nicht mit der Gleichgültigkeit eines anderen Mannes auf ihm.

"Haben Sie?" Er wurde ungeduldig.

"Nein, mir ist kein Jüngling untergekommen."

Aramis tauchte auf und rang rasselnd und keuchend nach Luft. Das Gesicht hatte eine ungesunde rote Farbe angenommen.

"Was war denn das?", fragte er und erntete nur qualvolles Husten. Er schob die Arme über den Beckenrand und lehnte sich zurück, dass die Muskeln über die Brust in die Arme spannten und sah für Aramis Geschmack viel zu gut und männlich aus. Ihr stockte der Atem. Er feixte unübersehbar "Du Jüngling, du? Lachst du dir hier Badebekanntschaften an?"

"Er ist mir hinterhergelaufen."

"Warum?"

"Mein Hintern ist zu rosig", erwiderte Aramis lahm und drehte sich ohne ein weiteres Wort um, um sich diesmal gemächlicher zurück zu kämpfte. Erst jetzt registrierte Athos, dass er Aramis noch immer nicht nackt gesehen hatte, doch seine Haut fühlte noch den Zusammenstoß, der seltsam zart und doch weich war. Seine Hände konnten es nicht fassen, bei einem Mann, der mit einer Waffe umgehen konnte, so dünnen Arme gefühlt zu haben und sein Körper entschied sich, anders zu reagieren, als ein Mann bei einem anderen Mann sollte. Je mehr Zeit er mit seinem Freund verbrachte, je mehr verblasste Dianas Erinnerung.

Als er einige Zeit später entschied, dass es genug war, fand er Aramis wieder voll bekleidet, mit finsterem Blick in der Umkleidekabine. Das Haar lag nass auf dem blauen Wams und das Gesicht, dass viel schöner wirkte, wenn man die hohen Wangenknochen sehen konnte, hätte besser ausgesehen, wenn Aramis nicht den Gesichtsausdruck eines Wasserspeiers mit Mordlust getragen hätte. Wieder fühlte er sich merkwürdig peinlich berührt, vor Aramis nackt zu sein, obwohl sein Freund ihn gar nicht ansah. Auf einmal glaubte Athos zu verstehen. Wahrscheinlich war Aramis schon immer durch die androgyne Gestalt aufgefallen und lüstern betrachtet worden, von Männern die lieber Männer mochten. Er tat ihm leid, obwohl ihm das Verlangen danach nicht mehr fremd erschien. Athos atmete scharf aus und drehte Aramis abrupt den Rücken zu. Das musste aufhören, schwor er sich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2006-02-06T12:09:14+00:00 06.02.2006 13:09
weiterschreiben! Büdde!
super story ^^
Von: abgemeldet
2005-11-02T08:22:28+00:00 02.11.2005 09:22
Aramis zieht einfach jeden an, oder? das war ne ziemlich knappe angelegenheit, das nicht alles aufgeflogen war, ist wahrscheinlich ein wunder für sie... dafür scheint athos nun mit noch mehr rätseln leben zu müssen, was? die story ist lustig und spannend zu gleich, schreib weiter ;o)
LG Krisi
Von:  Tach
2005-10-29T17:50:02+00:00 29.10.2005 19:50
Nyaahahahaha, erste! Aramis der verfolgte Jüngling, Traum alter Lustgreise; die Idee find ich klasse. Und die Vorstellung, wie Aramis unbeholfen im Wasser rumbaddelt, hatte auch sehr viel schönes =]


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